Pilz & Pilz - Neue Studie: So häufig sind Kieferfehlstellungen

25.11.2022

Oft wurde bemängelt, dass es zu wenig Studien über Notwendigkeit und Nutzen von Kieferorthopädie gibt. Eine aktuelle Studie kommt zu bahnbrechenden Ergebnissen. Sie zeigt auf, wie häufig Zahn- und Kieferfehlstellungen bei Kindern sind – und räumt mit dem Vorwurf auf, dass Kieferorthopäden in Deutschland zu häufig zur Zahnspange raten.

Deutschland auf den Zahn gefühlt – nach diesem Motto geht die Deutsche Mundgesundheitsstudie der Frage nach, wie es um die Zähne der Deutschen steht. Wie verbreitet sind Erkrankungen der Mundhöhle und wie gut ist die zahnmedizinische Versorgung hierzulande?  Seit 1989 wird die Studie etwa alle acht Jahre durchgeführt. Die Ergebnisse sollen helfen, die Versorgungssituation und die Abläufe in Zahnarztpraxen in Deutschland weiter zu verbessern. 

Die 6. Deutsche Mundgesundheitsstudie, kurz DMS 6, widmete sich erstmals auch der Kieferorthopädie. Von Januar bis März 2021 wurden deutschlandweit 720 Kinder im Alter von 8 bis 9 Jahren untersucht und gemeinsam mit den Eltern befragt. Das Ziel: Die Häufigkeit von Zahnfehlstellungen und Kieferanomalien zu ermitteln. Das wurde zuletzt vor mehr als 30 Jahren flächendeckend gemacht. Da Kinder mit 8 bis 9 Jahren in der Regel noch keine Zahnspange haben, hat man sich für diese Altersgruppe entschieden – sozusagen um den natürlichen Ist-Zustand zu ermitteln.

Die wichtigsten Aussagen der Mundgesundheitsstudie zur Kieferorthopädie

Die Ergebnisse des Moduls "Zahn- und Kieferfehlstellungen bei Kindern" der DMS 6 wurden nun veröffentlicht – und sie geben Antworten auf einige wichtige Fragen rund um Kieferorthopädie:

1. Fehlstellungen bei Kindern sind häufig

Insgesamt hatten 40,5 Prozent der untersuchten 8- bis 9-Jährigen eine Zahn- oder Kieferfehlstellung, die nach den gängigen Richtlinien der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) kieferorthopädisch behandelt werden sollte und von der GKV bezahlt werden würde. 

10 Prozent der Kinder hatten ausgeprägte, 25,5 Prozent stark ausgeprägte und 5 Prozent extrem stark ausgeprägte Zahnfehlstellungen. Bei diesen 40,5 Prozent würden die gesetzlichen Krankenkassen laut KIG-System eine Zahnspange bezahlen.

57 Prozent der Kinder hatten außerdem eine leichtere Fehlstellung, die aus medizinischer Sicht ebenfalls behandlungswürdig sein kann, auch wenn dies nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird. Nur 2,5 % der Kinder hatten gar keine Anomalien oder solche, die nur kosmetisch störend sind.

2. An der Häufigkeit hat sich seit vielen Jahren nichts geändert

Vergleicht man die Zahlen der DMS 6 mit früheren Erhebungen, zeigt sich, dass die Häufigkeit von Zahn- und Kieferfehlstellungen sehr konstant ist. Zu Vergleichswerten von 2003 hat sich quasi nichts verändert – auch nicht bei der Eingruppierung in die Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG), die Schweregrad und Dringlichkeit der Behandlung angeben.

3. Es gibt keine Über- oder Unterversorgung mit Zahnspangen

Immer wieder gab es in der Vergangenheit Stimmen, die kritisierten, dass Kieferorthopäden zu häufig zu einer Zahnspange raten würden. Die neuen Zahlen der Deutschen Mundgesundheitsstudie zeigen nun deutlich: Es gibt weder eine Unter- noch eine Überversorgung. Denn der Bedarf – etwa 40 Prozent aller Kinder brauchen eine Zahnspange – deckt sich weitgehend mit den Abrechnungsdaten der Kieferorthopäden.

4. Mehr Karies mit Zahnfehlstellungen

Kariesfreie Kinder hatten seltener einen kieferorthopädischen Behandlungsbedarf. I

m Hinblick auf kariöse Zähne stellte man fest, dass Kinder mit kieferorthopädischem Behandlungsbedarf systematisch mehr bleibende Zähne mit einer Karies aufwiesen und tendenziell mehr kariöse Milchzähne. Gleichzeitig hatten Kinder ohne kieferorthopädischen Behandlungsbedarf systematisch mehr gesunde Zähne. 

5. Frühbehandlungen häufiger notwendig als tatsächlich durchgeführt

Tendenzen einer Überversorgung können in diesem Zusammenhang also nicht erkannt werden - ganz im Gegenteil.

Bei 16,4 % der 8-9jährigen Kinder besteht eine Indikation für eine sogenannte kieferorthopädische Frühbehandlung. Der Anteil der tatsächlich durchgeführten Frühbehandlungsfälle in dieser Altersgruppe liegt aber lediglich bei 7,8 %. Eine Frühbehandlung bei 8- und 9- jährigen Kindern in Deutschland wird also eher in geringerem Umfang durchgeführt als sich epidemiologisch darstellt. 

6. Fehlstellungen sind nicht nur ein ästhetisches Problem

Sie wirken sich auch signifikant auf die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität der Kinder aus!

Es wurde ebenso abgefragt, ob die Kinder Schmerzen oder Probleme beim Kauen hatten. Auch hier zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang: Kinder mit behandlungsbedürftigen Fehlstellungen haben häufiger Probleme beim Kauen, häufiger Schmerzen im Mund und fühlen sich unwohler aufgrund ihres Aussehens. Kieferorthopädie hat also eine wichtige Funktion für die Mundgesundheit und Lebensqualität - es geht dabei längst nicht nur um Kosmetik. Der Nutzen von kieferorthopädischen Behandlungen soll in der Folgestudie DMS 7 weiter untersucht werden.

Zähne lieber früh als spät korrigieren lassen

Was die Bundeszahnärztekammer zudem zur Studie anmerkt: Ein großer Teil der Fehlstellungen wird im Kindes- und Jugendalter nicht behandelt, weil die Krankenkassen die Behandlung nicht übernehmen. Viele dieser Patienten stören sich später, wenn sie erwachsen sind, doch an ihren Fehlstellungen und entscheiden sich dann für eine Aligner-Behandlung. Wer seine Zähne schon im Kindes- oder Teenageralter richten lässt, erspart sich in der Regel eine Zahnspange oder Zahnschiene, wenn er erwachsen ist.

Euer Team 🍄 & 🍄

 

Quellen:

  • Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS • 6) 
  • Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie zu den Ergebnissen des kieferorthopädischen Moduls der sechsten Deutschen Mundgesundheitsstudie
  • Gemeinsame Presseinformation von Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung (KZBV), Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) und Deutsche Gesellschaft für Kieferorthopädie (DGKFO): Keine Unter- oder Überversorgung: Neue Studie zu Zahn- und Kieferfehlstellungen bei Kindern
  • Position der Bundeszahnärztekammer: Kieferorthopädie gehört in die Hände von Profis – die Gefahren von Aligner-Behandlungen im DIY-Verfahren
  • Pressestatement der KZBV: Ergebnisse der IDZ-Studie „Zahn- und Kieferfehlstellungen bei Kindern“
  • Das Gesundheitsportal medondo.health